Die Schule - eine Zumutung?

Muten Erwachsene sich im Alltag ebenso viel Fremdbestimmung und Flexibilität zu wie unseren Schulkindern? 

Schulkinder haben einen Alltag, der vollbepackt ist mit Neuem. Sie müssen oft flexibel sein: Auf Kommando mit dem Lernen starten, um dann gleichzeitig mit der Lerngruppe wieder zu stoppen. Nach einer Fünf-Minuten-Pause wird ihnen ein neues Thema vorgesetzt, auf welches sie sich einzulassen und zu konzentrieren haben.

Sich der Gruppe und dem Inhalt zu fügen, ist eine enorme Leistung. Tag für Tag. Das kindliche Gehirn vollbringt während jedes Schultags eine grosse Anstrengung – und viele Schülerinnen und Schüler bewältigen dies ziemlich erfolgreich!

Je nachdem, ob das erste Thema des Schulmorgens fesselnd war, wird es schwierig, sich aufs Neue einzulassen und dies ebenso abzuspeichern. Oder aber das Hirn freut sich über die „bessere“ Nahrung und vernachlässigt die Abspeicherung des ersten Themas. Diese individuellen Gewichtungen, was wichtig ist und unbedingt gespeichert werden soll, geschieht im Unterbewusstsein. Die gute Nachricht: Unsere Speicherfähigkeit lässt sich beeinflussen – zum Beispiel mit der Originalität des Unterrichtens. Den Kindern spannenden oder lustigen Unterricht zu bieten, ist eigentlich allen Lehrpersonen, mit welchen ich zusammenarbeitete, ein grosses Anliegen. Doch nicht jedes Unterrichtsthema ist ehrlicherweise geeignet für tolle Stunden. Der Zeit- und Leistungsdruck ist in der Qualität der Lernatmosphäre oft spürbar und die meisten Lehrmittel unterstützen die Freude am Lernen auch nur bedingt.

Hinzu kommt die wachsende Stundentafel. Die Themen im Lehrplan werden immer vielfältiger und komplexer. Noch vor 100 Jahren war das Hauptziel der Schule das Lesen, Schreiben und Rechnen. Themen wie Landesgeschichte, Biologie und Christentum kamen später dazu. Heute lernen Kinder nicht nur die Geschichte ihres Umfeldes kennen oder die Naturphänomene, welche sie selbst betreffen könnten, sondern globale Geschehnisse miteinander zu verknüpfen. Nicht etwa, dass alte Inhalte aus dem Lehrplan gestrichen wurden – Neues wurde immer mal wieder hinzugefügt … als Letztes und bestimmt wichtig für die Zukunft: Das Schulfach ‚Medien und Informatik‘, welches viele Kinder fast besser beherrschen als die Lehrergeneration, aus welcher ich komme.

Und fast gingen sie vergessen … neben all den Fächern sind die berühmten „Softskills“ die eigentlichen Fähigkeiten, welche Jugendliche dann schlussendlich auf dem Arbeitsmarkt zeigen müssen. Teamfähigkeit, Flexibilität, Konfliktfähigkeit oder Problemlösungskompetenz, um nur mal die wichtigsten von einer ganzen Liste zu nennen. Diese werden scheinbar nebenbei von den Lehrpersonen durch methodisch geschickt arrangierte (und natürlich lässige) Unterrichtseinheiten mittrainiert.

Kann ein Kind achtsam sein, wenn sein Schulalltag geprägt ist vom engen Rhythmus der Stundentafel und dem Druck, die täglichen Lernziele verstanden zu haben?

Ganz schön viel, was wir den Kindern im Schulalltag zumuten. Es bleibt kaum Zeit für ‚körpernahe‘ Themen wie Achtsamkeit oder die eigene Gesundheit. Ist dies nicht erstaunlich, da doch viele von uns Erwachsenen mit ihrem eigenen Lebensinhalt unzufrieden sind und die Achtsamkeit wieder entdecken? Kinder erfahren schon früh viel Zeit- und Leistungsdruck und verlernen dadurch die eigentlich angeborene Fähigkeit, Bedürfnisse zu erkennen, sich selbst zu spüren und ganz wichtig: sich selbst zu genügen.

Meiner Meinung nach liegt es nicht an der Schule – sondern an der gesellschaftlichen Vorstellung, welche vorherrschend ist in unserer wirtschaftlich geprägten westlichen Welt. Eltern, Grosseltern, Lehrpersonen und Lernbegleiterinnen können, nein, sie müssen Gegensteuer geben! Wir alle können unsere persönlichen Leistungsvorstellungen überdenken und den Schulwandel gemeinsam – von unten nach oben – angehen. Für die Kinder, Jugendlichen und für eine gesunde Bildungslandschaft.